Klebetechnologien für den Schiffbau

Studie „Überblick über Entwicklung und Anwendung von Klebeverbindungen in der Schiffsfertigung“ abgeschlossen - sie betrachtet die Anwendung der Klebetechnik im Schiffbau, Bootsbau, Binnenschiffbau wie auch in der Offshore-Industrie.
25.05.2020
Peipei Wang

Peipei Wang

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: +49 40 9999 698 - 75
E-Mail: Wang[at]dmz-maritim.de

Das Deutsche Maritime Zentrum hat 2019 die Erstellung einer Studie „Untersuchungen zum aktuellen internationalen Stand der Technik bezüglich Entwicklung und Anwendung von Klebeverbindungen in der Schiffsfertigung“ ausgeschrieben. Das Center of Maritime Technologies erhielt den Zuschlag und wurde mit deren Umsetzung beauftragt.

In der Studie ist die Anwendung der Klebetechnik für den Schiffbau, Bootsbau, Binnenschiffbau wie auch für die Offshore-Industrie betrachtet worden, dabei wurde der Schwerpunkt auf den Schiffbau gelegt. Der verstärkte Einsatz von Klebetechnologien in der Schiffsfertigung bietet den Werften ein großes Potenzial, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die Technologieführerschaft zu festigen.

Kurzzusammenfassung

Ausgangslage

Die deutsche Schiffbaulandschaft steht im internationalen Wettbewerb unter hohem Kostendruck. Produkte im maritimen Bereich sind komplexe und hoch ausgerüstete Strukturen, die in harschen Umgebungsbedingungen hohen Beanspruchungen ausgesetzt werden und die die stets wachsenden Anforderungen an Umweltschutz und Ressourceneffizienz erfüllen sollen.

Neue Produktionsmethoden und Materialien spielen neben der Forschung zu Antriebstechnologien und alternativen Kraftstoffen eine bedeutende Rolle. Durch die steigende Komplexität der in Deutschland gebauten maritimen Produkte, nimmt auch der Bedarf nach neuen Fügemethoden, die eine hohe Flexibilität in der Fertigung ermöglichen, zu. Diese sind beispielsweise bei Änderungen oder Nacharbeiten in einer späten Bauphase oder Umrüstungen und Reparaturen im Betrieb erforderlich.

Der Einsatz von Leichtbaumaterialien kann die Umsetzung technischer Innovationen ermöglichen und die damit einhergehende Gewichtseinsparung zur Reduzierung des Ressourcenverbrauchs sowie zur Senkung der Emissionen beitragen. Kleben als leichtbaugerechte Fügetechnologie kommt hierbei zwangsläufig ins Spiel.

Zielsetzung

Die Studie zielt auf den gesteigerten Einsatz von Klebetechnologien in der Praxis ab. Sie soll:

  • den aktuellen Stand der Technik und Wissenschaft und die Verbreitung von Klebetechnologien darstellen,
  • die aktuelle Situation in Bezug auf Vorschriften und Standards für den Einsatz der Klebetechnologie im Schiff-, Binnenschiff- und Bootsbau analysieren,
  • mögliche Anwendungsfälle und Einsparpotenziale identifizieren und
  • Empfehlungen für die Struktur einer zu entwickelnden Richtlinie wie auch für weitere Forschungsaktivitäten geben.

Die angestrebten Ergebnisse sollen der gesamten deutschen Schiffbaulandschaft einschließlich Bootsbauunternehmen und Binnenschiffswerften zugutekommen. Ein verstärkter, im Rahmen der Studienergebnisse sinnvoller Einsatz der Klebetechnologie könnte die Technologieführerschaft der deutschen Werften festigen.

Ergebnisse

Um einen hohen Praxisbezug zu gewährleisten und somit einen größtmöglichen Nutzen der Ergebnisse für die deutsche Schiffbaulandschaft zu generieren, wurde eine beratende Fachgruppe in die Untersuchungen eingebunden. Da die Studienergebnisse einen möglichst umfangreichen Teil der maritimen Industrie widerspiegeln sollen, wurden Teilnehmer aus den Segmenten Schiffbau, Binnenschiffbau, Bootsbau, Zulieferer, Klassifikationsgesellschaften und Forschungseinrichtungen in die Fachgruppe aufgenommen.

1. Stand der Wissenschaft und Technik

Die Analyse des Standes der Technik und Wissenschaft hat ergeben, dass Kleben – aufgrund der weiten Verbreitung im Automobilbau und in der Luftfahrt – im Wesentlichen gut erforscht ist. Kleben zeichnet sich gegenüber anderen Fügemethoden insbesondere durch die Fähigkeit aus, unterschiedliche Materialien verbinden zu können und somit als Enabler-Technologie für den Leichtbau zu dienen. Leichtbau ist, neben der Weiterentwicklung von Antriebstechnologien, für den Schiffbau ein wichtiger Hebel zur Verbesserung der Klimabilanz maritimer Industrieprodukte.

Im Bootsbau findet die Klebetechnologie bereits breite Anwendung. Für den Einsatz von Faserverbundwerkstoffen ist, nach aktuellem Stand der Technik, Kleben als Fügetechnologie am besten geeignet. Die Technologie kommt für eine große Bandbreite an Verbindungen von der strukturellen Verklebung von Rumpf und Deck bis hin zu kleineren Montageklebungen zum Einsatz.

Im Schiffbau, bei dem nach wie vor der Werkstoff Stahl die Hauptrolle spielt, wird Kleben derzeit überwiegend für die Montage von Ausrüstungselementen verwendet. Hier sind insbesondere das Schweißen, aber auch Fügemethoden wie das Schrauben etablierter Standard. Von großer Bedeutung für den Schiffbau ist, dass die Klebetechnologie in der Produktionsphase nach Abschluss der Heißarbeiten als „kalte“ Fügetechnologie eingesetzt werden kann und sich damit die Möglichkeit ergibt, auf Änderungen flexibel zu reagieren.

Generell besteht Ausbaupotenzial für den Einsatz der Klebetechnologie im Bereich Schiffbau. Die Werften haben die Vorteile der Fügetechnologie erkannt und streben ihren verstärkten Einsatz an.

2. Vorschriften und Standards

Die befragten Experten betrachten die derzeitige Vorschriftenlage als größtes Hindernis für den vermehrten Einsatz der Klebetechnologie im Schiffbau. Die Werften haben, so zeigt die Befragung, ein großes Interesse an einer einheitlichen und praxisnahen Richtlinie.

Aktuell gibt es von den verschiedenen Klassifikationsgesellschaften unterschiedliche Regelwerke für einzelne Geltungsbereiche (z.B. ein Regelwerk für Reparaturen, ein Regelwerk für nichtstrukturelle Klebverbindungen etc.). Ein einheitlicher Branchenstandard existiert nicht. Branchenübergreifende Normen bieten eine gute allgemeine Orientierung hinsichtlich der Prozessanforderungen und der Qualitätskontrolle, berücksichtigen jedoch keine schiffbauspezifischen Aspekte.

Für die Zulassung von Klebverbindungen sind derzeit Einzelfallprüfungen die Regel, die zeitaufwendig und schwer kalkulierbar sind. Für viele Aspekte wie Design oder Prüfungen existieren keine klar definierten Anforderungen, deren Erfüllung eine Zulassung planbar machen würde.

3. Praxisanwendung

Technisch ist das Kleben ein sogenannter spezieller Prozess, dessen Ergebnis sich durch zerstörungsfreie Prüfverfahren nicht einhundertprozentig überprüfen lässt. Der Prozess muss gut kontrolliert werden, um stabil eine hohe Qualität zu gewährleisten. Die Beachtung von Sauberkeit im Fügebereich und eine entsprechende Oberflächenvorbehandlung sind hierbei wesentlich. Die Arbeiten müssen von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt werden. Anwender, die bereits Erfahrung mit der Technologie haben, bewerten die Anforderungen, die sich im Zusammenhang mit dem Einsatz der Klebetechnologie ergeben, als gut durchführbar.

Auch wenn die Entscheidung für die Anwendung der Klebetechnologie im Schiffbau zumeist aus technischen Gründen fällt, muss sich der Einsatz der Technologie kosteneffizient gestalten lassen. Eine Untersuchung der Prozessschritte hat ergeben, dass Kleben gegenüber dem Schweißen insbesondere durch den verringerten Nacharbeitsaufwand Einsparpotenzial bietet. Auch lassen sich die Kosten der Gesamtkonstruktion z.B. durch Materialeinsparung senken. Des Weiteren kann der Einsatz von Klebstoffen eine Verminderung der Übertragung von Schall und Schwingungen auf die Gesamtkonstruktion bewirken.

4. Empfehlungen

In der Studie werden Struktur und Inhalte einer zu entwickelnden einheitlichen Richtlinie vorgeschlagen. Diese Empfehlung basiert auf einer Analyse existierender Vorschriften, wie der zum „Schweißen im Schiffbau“ oder der zum „Fertigungsstandard des Deutschen Schiffbaus“, die vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik erarbeitet wurden. Anforderungen zur Betriebszulassung oder allgemeine Qualitätsmaßnahmen, die in anderen Regelwerken und Normen bereits detailliert definiert sind, können als Referenzrahmen für eine Richtlinie dienen, wobei sie z.B. im Hinblick auf die Bemessung schiffbauspezifischer Inhalte noch genauer aus- und eingearbeitet werden müssen.

Für die Erarbeitung einer Richtlinie und somit eines einheitlichen, verbindlichen Branchenstandards ist, neben der Definition der Inhalte, das Vorgehen bei der Erarbeitung ein wesentlicher Faktor. Im ersten Schritt wird zunächst die Konstituierung eines (moderierten) Richtlinien-Ausschusses empfohlen. Deren Kern sollten die Werften bilden, die durch Forschungseinrichtungen, Klebstoffhersteller und andere Zulieferer sowie Klassifikationsgesellschaften unterstützt werden. Das mittel- bis langfristige Ziel sollte eine internationale Standardisierung sein, für die der nationale Branchenstandard eine Grundlage liefern kann.

Der Stand der Technik und Wissenschaft zur Fügetechnologie Kleben befindet sich auf einem guten Niveau. Im Rahmen der Studie wurden einige Forschungsbedarfe für den Einsatz der Technologie im Schiffbau identifiziert. Relevante Fragestellungen beinhalten z.B. die Untersuchung und Weiterentwicklung von zerstörungsfreien Prüfmethoden und die Erforschung von Alterungsmechanismen sowie entsprechender Prüfverfahren, insbesondere im Hinblick auf die aggressiven maritimen Umgebungsbedingungen. Weiterhin sollten Betriebslasten in der Realität validiert und Berechnungsansätze weiterentwickelt werden, um die Vorhersage der Lebensdauer zu verbessern. Auf die Forschungsagenda gehören zudem Themen wie Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz (Carbon Footprint).

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